21.11.2022

„Der Brief von Papst Franziskus an die Deutschen gibt Orientierung und  bedarf einer weiteren Vertiefung“ (Dr. Georg Bätzing)  

Auf einer Pressekonferenz hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, Bilanz des Ad-limina-Besuchs der deutschen Bischöfe in Rom gezogen.

Dabei sagte er u.a., dass der Brief von Papst Franziskus an das „pilgernde Volk Gottes“ beim Suchen und Fragen auf dem ‚Synodalen Weg‘ „eine wichtige Orientierung gewesen“ sei, „die einer weiteren Vertiefung“ bedürfe.

Zuletzt ist Papst Franziskus selbst, auf dem Rückflug von seiner Kanada-Reise 29. Juli 2022, auf diesen Brief vom Sommer 2019 eingegangen. Wörtlich sagte er: „Zum ‚Synodalen Weg‘ habe ich einen Brief geschrieben, und zwar allein. Nach einem Monat mit Gebet, Reflexion, Beratungsgesprächen. Ich habe alles gesagt, was ich auf dem ‚Synodalen Weg‘ zu sagen hatte. Mehr will ich nicht sagen. Das ist das päpstliche Lehramt zum ‚Synodalen Weg'“. Er habe mit dem Brief damals die Kurie umgangen, auch als Hirte einer Kirche, die einen Weg suche, als Bruder, als Vater, als Gläubiger. „Und dies ist meine Botschaft. Ich weiß, es ist nicht einfach, aber es steht alles in diesem Brief“.

Aus gegebenem Anlass und eingehend auf die Anregung Bischof Bätzings, dass die Inhalte dieses Briefes einer Vertiefung bedürften, stellen wir hier noch einmal die Stellungnahme des Dechanten zum Papstbrief zur Verfügung, die wir im Sommer 2019 veröffentlicht hatten.

 

 

Vom Primat der Evangelisierung und dem „Sensus Ecclesiae“ –

Stellungnahme des Dekanates Siegen zum Brief von Papst Franziskus an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland

 

Die Bibel berichtet davon, dass Jesus zu Petrus sagte: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18).

An anderer Stelle sagt Jesus zu Petrus: „Weide meine Schafe“ (Joh 21, 17). Diese Stellen bezeugen, dass Jesus den Fischer Petrus zum Garant der Einheit der Kirche macht, zum ersten Papst. Als solcher soll er die Kirche leiten und ihre Einheit garantieren.

Papst Franziskus ist der 266. Nachfolger des heiligen Petrus. Als Garant der Einheit nimmt er sich nun das Recht, sich an die Kirche in Deutschland zu wenden. In einem Brief wendet er sich an das „pilgernde Volk Gottes in Deutschland“. Der Brief trägt nicht zufällig das Datum des 29. Juni. An diesem Tag feiert die Katholische Kirche den Gedenktag der Apostel Petrus und Paulus.

 

Worum geht es Papst Franziskus? Was ist sein Anliegen?

 

Zunächst würdigt er die Verdienste der Kirche in Deutschland für die Unterstützung der Weltkirche. Er sieht die vielen Einrichtungen und Orte, an denen aus christlicher Verantwortung heraus im Namen des Glaubens gewirkt wurde und wird.

Auch den ökumenischen Weg in Deutschland schätzt er, da er dazu beitrage, „die Vorurteile und Wunden der Vergangenheit zu überwinden, damit wir die Freude am Evangelium besser feiern und bezeugen können“. Das lässt uns gerade hier in Siegen-Wittgenstein an die gemeinsamen Unternehmungen und Bezüge zwischen katholischen und evangelischen Gemeinden, zwischen Kirchenkreis und Dekanat, denken.

 

In seinem Blick auf die Kirche in Deutschland stellt Papst Franziskus dann aber auch eine „zunehmende Erosion und den Verfall des Glaubens“ fest. Den Begriff der „Erosion des Glaubens“ hatte er bereits im November 2015 verwendet, als er die deutschen Bischöfe in Rom empfing.

Woran macht Papst Franziskus die „Erosion des Glaubens“ fest? Er erkennt den drastischen Rückgang der Besucher der Sonntagsmesse sowie beim Empfang der Sakramente.

Hier hat der Papst die Sorgen der katholischen Kirche in Deutschland gut getroffen. Auch im Dekanat Siegen stellen wir mit großem Schmerz fest, dass unsere Kirchen sonntags leerer werden, und dass z.B. kaum mehr gebeichtet wird – Ausnahme sind die aus Polen stammenden Katholiken, die bei uns leben -, um nur eines der sieben Sakramente herauszugreifen.

Die „Erosion des Glaubens“ verlangt nach dem Wunsch des Papstes ein ernsthaftes und bewusstes Herangehen.

 

Der Papst nimmt dann länger Bezug auf den synodalen Weg, mit dem die Katholische Kirche in Deutschland der Krise begegnen will. In der Tat hatten die deutschen Bischöfe im März 2019 beschlossen, gemeinsamen mit dem „Zentralkomitee der deutschen Katholiken“ (ZdK) einen synodalen Weg zu beschreiten, der sich mit drei Themen beschäftigen soll: die priesterliche Lebensform und der Zölibat, Teilnahme aller Gläubigen an der Leitung der Kirche sowie die Sexualmoral der Kirche.

 

Papst Franziskus bejaht den synodalen Weg der Kirche, warnt aber vor der Suche nach „unmittelbaren Ergebnissen mit voreiligen und medialen Folgen…, die flüchtig sind wegen mangelnder Vertiefung und Reifung oder weil sie nicht der Berufung entsprechen, die uns gegeben ist.“ Er schreibt von „subtilen Versuchungen“, die „in einer Entfremdung oder einer Beschränkung unserer Mission enden können“.

 

Papst Franziskus rät dann, dass die derzeitige Situation eine Einladung sei, „sich dem zu stellen, was in uns und in unseren Gemeinden abgestorben ist, was der Evangelisierung und der Heimsuchung durch den Herrn bedarf. Das aber verlangt Mut, denn, wessen wir bedürfen, ist viel mehr als ein struktureller, organisatorischer oder funktionaler Wandel“.

 

Dem rein strukturellen und organisatorischen Denken setzt Papst Franziskus die „pastorale Bekehrung“ entgegen. Diese „ruft uns in Erinnerung, dass die Evangelisierung unser Leitkriterium schlechthin sein muss, unter dem wir alle Schritte erkennen können, die wir als kirchliche Gemeinschaft gerufen sind in Gang zu setzen; Evangelisierung bildet die eigentliche und wesentliche Sendung der Kirche.“

Sie führe uns dazu, „die Freude am Evangelium wiederzugewinnen, die Freude, Christen zu sein“, und sei ein Weg der Jüngerschaft in Antwort auf die Liebe zu Dem, der uns zuerst geliebt hat“, Jesus Christus.

 

Im Dekanat Siegen haben wir – ganz im Sinne des Zukunftsbildes im Erzbistum Paderborn –  mit der „Eremitage Franziskus“ beim Hospiz Luise von Marillac und mit der CityPastoral „K³“ im Herzen der Stadt Siegen Orte der Evangelisierung und der missionarischen Pastoral geschaffen, wo Menschen die Freude am Evangelium erfahren können. Daneben gibt es in unseren Gemeinden und Pastoralen Räumen, in unseren Verbänden und Einrichtungen von Wilnsdorf bis Freudenberg, von Bad Laasphe bis Niederschelden zahlreiche Initiativen und Gelegenheiten, die Menschen einladen, mit dem Evangelium in Berührung zu kommen. Dafür sind wir sehr dankbar! Dabei muss das pastorale Mühen den 90 % der getauften Christen gelten, die – auswelchen Gründen auch immer – sonntags nicht mehr in unsere Kirchen kommen, obwohl wir hier Sonntag für Sonntag die Auferstehung und das Leben feiern, die nur noch gelegentlich Kontakt zum Evangelium Jesu Christi haben und damit nicht erfahren, wir gewinnbringend das Evangelium für den Alltag sein kann. Ihnen entgegen zu gehen, sie suchen, weil Gott sie sucht und ihnen Seien Nähe schenken will, darum soll es gehen.

 

Im Blick auf die Kirche in Deutschland und ihren synodalen Weg nennt der Papst mehrfach das Wort „Sensus Ecclesiae“. Er ruft dazu auf, dass alle Erneuerungsprozesse immer die ganze Kirche, die weltweite Kirche im Visier haben muss. Es gehe „um das Leben und das Empfinden mit der Kirche und in der Kirche, das uns in nicht wenigen Situationen auch leiden in der Kirche und an der Kirche verursachen wird“. Der Sensus Ecclesiae erinnere an die „Schönheit des vielgestaltigen Angesichts der Kirche“ und beinhalte auch die positiv gesehene Tradition, welche das Feuer lebendig am Leben erhalten statt Asche bewahren soll.

 

Nach einem Aufruf an die Gläubigen und ihre Bischöfe, in der aktuellen Stunde wachsam zu sein und sich zu bekehren, beschreibt er als begleitendes Heilmittel dabei das Gebet, die Buße, das Fasten und die Anbetung.

 

Er beendet seinen Brief mit ermutigenden Worten: „Ich möchte euch zur Seite stehen und euch begleiten in der Gewissheit, dass, wenn der der Herr uns für würdig hält, diese Stunde zu leben, Er das nicht getan hat, um uns angesichts der Herausforderungen zu beschämen oder zu lähmen. Vielmehr will er, dass Sein Wort einmal mehr unser Herz herausfordert und entzündet, wie er es bei euren Vätern getan hat, damit eure Söhne und Töchter Visionen und eure Alten wieder prophetische Träume empfangen“.

 

Wir können, als katholische Christen in Siegen-Wittgenstein, froh sein über die Worte des Bischofs von Rom, des 266. Nachfolger des Petrus,  die uns Mut machen will zu einem  Weg der Evangelisierung und uns dabei in Erinnerung ruft, dass alle Erneuerung der Kirche und unserer Gemeinden und Pastoralen Räume, unserer Verbände und Einrichtungen,  immer nur im „Wir“ der Gesamtkirche geschehen kann, welche uns seit 2000 Jahren die Botschaft des Evangeliums treu und trotz aller Wirrungen und Irrungen ihrer langen Geschichte vermittelt. Diese Kirche ist letztlich nur Werkzeug, Ihn, das Licht der Völker, zu den Menschen zu bringen.

 

Karl-Hans Köhle, Dechant

30.06.2019